Hilfe für den Absprung vom Leben auf der Straße
Im Offenen Treff des Don Bosco Jugenwerks Nürnberg finden junge Menschen, die auf der Straße leben, erste Hilfe zum Überleben und individuelle Unterstützung beim Neuanfang.
Die Nacht war kurz. Dementsprechend müde sieht der junge Mann aus, der im Hof des Don Bosco Jugendwerks Nürnberg in der Raucherecke sitzt. Das schwarze Baseballcap ins Gesicht gezogen, die Ellenbogen auf die hölzerne Tischplatte gestützt. „Bin ja selber schuld, hab halt die Nacht durchgezockt“, sagt er und grinst. Marcel ist 21 Jahre alt und hat vor Kurzem seine erste eigene Wohnung bezogen. Davor lebte er auf der Straße. „Ich war grad am Anfang meiner Ausbildung, wie ich obdachlos geworden bin“, erzählt er. Er brach die Lehre ab, nahm Drogen, hatte kein Ziel mehr im Leben. Zur festen Anlaufstelle für ihn wurde „das Don Bosco“. „Am Anfang bin ich nur hierhergekommen, weil es was zu Essen gab“, gibt Marcel zu. Nach und nach ließ er sich aber auch auf Beratung und Unterstützung ein.
Genau das ist das Konzept des Offenen Treffs im Don Bosco Jugendwerk Nürnberg. „Wir machen bewusst ein niederschwelliges Angebot“, erklärt Sozialpädagoge Felix Welz. „Junge Menschen, die auf der Straße leben, finden bei uns erst mal einen geschützten Aufenthaltsort und alltägliche Überlebenshilfen – also die Möglichkeit zu duschen oder Wäsche zu waschen und etwas zu essen.“ Der Treff ist unter der Woche von acht bis 20 Uhr geöffnet und am Wochenende bis 16 Uhr. Per Krisentelefon ist sogar rund um die Uhr jemand erreichbar.
Ein Krisenzimmer für die nächste Nacht
Auf der Treppe zum Eingang sitzen zwei junge Frauen in der Sonne und spielen auf ihren Handys. Drinnen macht Dawid in der kleinen Küchenzeile Wasser für eine Tütensuppe warm. Sein Kumpel Mike sitzt schon am Tisch. Die beiden haben ähnlich wie Marcel den ersten Schritt weg von der Straße geschafft und leben in einer eigenen kleinen Wohnung. Aber sie kommen immer noch gerne hierher. „Ich kriege hier noch Hilfe bei der Suche nach einem Job“, erklärt Dawid. Auf der Bank in der Ecke liegt ein weiterer junger Mann und schläft. Er lebt noch auf der Straße und hatte in der Nacht keinen sicheren Schlafplatz. Felix Welz kann ihm immerhin für die nächste Nacht ein Krisenzimmer anbieten.
Solche Überlebenshilfen sind wichtig, denn erst wenn den Jugendlichen die Sorge um das Lebensnotwendige genommen ist, haben sie den Kopf frei für ein neues Ziel im Leben. Felix Welz und seine Kollegen versuchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und herauszufinden, welche Probleme sie zu einem Leben auf der Straße treiben. Meistens sind Ursachen und Folgen vielfältig und nicht einfach voneinander zu trennen. Möglichst individuell bieten die Sozialpädagogen dann Unterstützung an bei der Wohnungssuche, im Umgang mit Behörden und bei der Suche nach einem Job oder Ausbildungsplatz. Auch Aktivierungsmaßnahmen gibt es vor Ort. „So bekommen sie wieder Lust darauf, etwas zu schaffen und entdecken eigene Talente“, erklärt Schreiner Max Sander, der mit den Jugendlichen einfache Möbel baut – ein Regal oder einen Tisch aus Paletten zum Beispiel. „Das Schöne ist, dass die im Don Bosco nicht nur rumlabern, sondern sich echt für dich einsetzen“, sagt Marcel. „Und die behandeln dich auch nicht so von oben herab, wie das sonst manchmal ist bei Beratungsstellen.“
Zeit, Geduld und individuelle Lösungen
Nicht alle, die in den Offenen Treff kommen, schaffen dadurch auch tatsächlich den Absprung vom Leben auf der Straße. „Manche brauchen nur einen kleinen Schubs, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Andere kommen eine Zeit lang, sind plötzlich wieder verschwunden und tauchen dann irgendwann wieder auf“, erzählt Felix Welz. Er und seine Kollegen helfen ihnen immer wieder von Neuem. Manchmal ist das frustrierend – manchmal klappt es aber beim dritten oder vierten Anlauf. Es braucht oft Zeit, Geduld und individuelle Lösungen, um junge Menschen von der Straße wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
Marcel hat nach einem halben Jahr auf der Straße im Don Bosco Jugendwerk ein Pensionszimmer angeboten bekommen. „Dafür habe ich sogar mit den Drogen aufgehört“, sagt er stolz. Eines hat er schnell begriffen: „Du kriegst hier super Hilfe, aber du musst es auch selber wollen.“
Text und Fotos: Claudia Klinger